Kinder und Jugendliche, die von einer Autismus-Spektrum-Störung betroffen sind, benötigen klare, wiederkehrende Strukturen, haben eine sensible Wahrnehmung und soziale Interaktionen sind eine Herausforderung für sie. Wichtig zu erwähnen ist hier, dass jeder Mensch individuell ist, so ist auch jeder Autist unterschiedlich. Eine Verhaltensweise eines Autisten muss nicht auf jeden anderen Menschen mit Autismusdiagnose zutreffen. Die eben genannten Symptome von Autismus sind jedoch die ausschlaggebenden Punkte, warum Autisten die Schulsystem-Verlierer der der Corona-Pandemie sind.
Wochenlang erhielten alle Schüler und Schülerinnen Home-Schooling über das Internet, bereits dies war für viele Schüler/-innen eine Herausforderung - das Einloggen war nicht möglich, die Bild-und Tonqualität war mäßig, einige SuS trauen sich nicht mit Bild und Ton am Unterricht teilzunehmen. An vielen Schulen fand jedoch auch gar kein Unterricht über Videokonferenzen statt, es wurde über Wochenpläne gearbeitet, dessen Ergebnisse zurückgesandt werden mussten.
All' die oben genannten Aspekte erfordern ein hohes Maß an Selbstständigkeit, Struktur, Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen - Fähigkeiten, die sich schon viele Kinder und Jugendliche noch erarbeiten müssen, die von keinem Störungsbild betroffen sind.
Die derzeitigen Maßnahmen: Schulklassen werden aufgeteilt, in der einen Woche geht Gruppe A zur Schule und Gruppe B erhält online Unterricht und Aufgaben. In der darauf folgenden Woche ist es umgekehrt. Beim Verlassen des Klassenraumes muss ein Mundschutz getragen und stets sollen die Hände gewaschen und desinfiziert werden.
Für Autisten sind diese Aspekte ein No-Go! Jegliche Struktur geht bei dem wöchentlichen Wechsel zwischen Präsenzzeit in der Schule und Home-Schooling verloren, ein Autist braucht Tage bis Wochen bis er sich nach den Sommerferien wieder an den Schulalltag gewöhnt hat, wie soll dementsprechend eine wöchentliche Umstellung funktionieren?
Autisten sind nehmen sensibel wahr, dazu gehören insbesondere Geräusche und Gerüche. Bei der Benutzung von Desinfektionsmittel ist es vorprogrammiert, dass ein Autist resigniert und die Unterrichtsteilnahme verweigert. Selbst unter den Menschen ohne Autismus befinden sich eine Bandbreite an Personen, die den Geruch von Desinfektionsmittel als stechend in der Nase empfinden, wie fühlen sich diese Personen wenn nicht ein sondern 15 Menschen diese gerade benutzt haben und wie muss sich dann wohl ein Autist fühlen?
Zu guter Letzt; das Tragen von Masken außerhalb des Klassenraums. Autisten haben Schwierigkeiten in sozialen Interaktionen: es fällt ihnen schwer Interaktionen zu anderen Menschen zu initiieren und diese aufrechtzuerhalten, das Erfassen von sozialen Regeln, das Deuten von Gestik, Mimik und Metaphern stellt sie vor große Herausforderungen. Ein Mundschutz verstärkt den Rückzug und die Meidung sozialer Interaktionen,während Corona mag das für manche Menschen als Maßnahmen-unterstützend anzusehen sein, jedoch ist es für Autisten umso schwerer dieses Verhaltensmuster wieder abzulegen.
Noch schwieriger wird es jedoch die Schüler/-innen aus dem Autismus-Spektrum nach der Pandemie zurück in die Schule zu führen, denn die stets wechselnden Strukturen führen zu Überforderung und damit einhergehend möglicherweise zu Wut, Verweigerung und/oder Rückzug. Das wiederum ist für die Eltern, Schulbegleiter/-innen und weitere Unterstützersysteme vor große Hürden.
An dieser Stelle sei nochmal gesagt, dass der Artikel keine Kritik an den Maßnahmen bezüglich der Corona-Pandemie im Schulsystem ist. Vielmehr ist es ein Appell an die Schulen, auch in dieser Zeit, den Inklusionsansatz, mit dem sich viele Schulen seit der UN-Behindertenrechtskonvention schmücken, nicht außer Acht zu lassen und die Schüler/-innen mit Störungsbild, insbesondere Autisten, im Rahmen des Nachteilsausgleichs zu unterstützen. Dies kann in Form von andauerndem Online-Schooling und Wochenplänen gelingen (zu den Sommerferien sind es schließlich nur noch 8 Wochen).
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